Vielfalt von Genossenschaften in der Praxis
Finanzen
Energie
Mobilität
Wohnen
Gesundheit, Pflege
Ernährung, Landwirtschaft
Handel, Handwerk, Dienstleistungen
Digitalisierung, Infrastruktur
Kommunikation, Marketing, Medien
Kultur, Freizeit, Sport
Bildung, Schule, Hochschule
Regional-, Stadt-, Quartiers-, Dorfentwicklung
Genossenschaften haben ein vielfältiges Erscheinungsbild von kleinen Dorfläden und -gasthäusern über mittelständische Unternehmen, wie Energie- und Wohnungsgenossenschaften, bis zu den größten Handels- und Finanzunternehmen, die zu den führenden Unternehmen ihrer Branchen in Deutschland, Europa und weltweit zählen. Es gibt primäre, sekundäre und tertiäre Genossenschaften in Netzwerken und Verbundgruppen.
Die Followerzahlen steigen und die Community wächst. Weltweit gibt es 1 Mrd. Mitglieder in 3 Mio. Genossenschaften mit 280 Mio. Mitarbeitenden. In Deutschland gibt es 22,5 Mio. Mitglieder in 7.800 Genossenschaften mit 1 Mio. Mitarbeitenden.
Finanzen
Dr. Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen suchten vor 180 Jahren nach Lösungen, wie durch Genossenschaften und Mikrokrediten Handwerker und Landwirte und deren Familien ein besseres Leben erreichen konnten. Daraus entstanden die Volksbanken und Raiffeisenbanken. Diese Innovation wurde 1889 bei der Weltausstellung in Paris mit dem Grand Prix Économie sociale ausgezeichnet. Jahre später nahm Prof. Muhammad Yunus in Bangladesch die Lösungsidee wieder auf und wurde als Wirtschaftswissenschaftler mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Die Genossenschaftliche FinanzGruppe zählt weltweit zu den größten genossenschaftlichen Organisationen und Ökosystemen. Sie nutzt im Netzwerk die Stärken selbständiger Unternehmen und Verbände, die miteinander verknüpft sind. Zusammenaddiert engagieren sich in der Genossenschaftliche FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken rund 170.000 Mitarbeitende für über 30 Millionen Kundinnen und Kunden, von denen 18 Millionen Mitglieder sind. Zur Genossenschaftlichen FinanzGruppe (GFG) gehören über 730 Genossenschaftsbanken und die DZ BANK Gruppe mit Zentralbank und mehreren Kompetenzzentren, also DZ Bank, R+V Versicherung, Schwäbisch Hall, Union Investment, usw. Die Genossenschaftsbanken sind primäre Genossenschaften und aufgrund des Netzwerkes und der Eigentümerstruktur der GFG sind die DZ BANK Gruppe und die Kompetenzzentren sekundäre und tertiäre Genossenschaften.
Energie
Energiegenossenschaften liefern saubere und erneuerbare Energie aus Wind, Sonne, Wasser, Holz und Biogas und tragen zum Klimaschutz bei. Über 870 Energiegenossenschaften mit 220.000 Mitgliedern gibt es in Deutschland.
Beispiele sind die EWS ElektrizitätsWerke in Schönau im Schwarzwald, die nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl als Bürgerinitiative startete, zu den Pionieren zählt und 2009 in ein Genossenschaft umgewandelt wurde, und Prokon in Itzehoe in Schleswig-Holstein, die mit über 39.000 Mitgliedern zu den größten Energiegenossenschaften zählt, und Greenpeace Energy in Hamburg mit über 25.000 Mitgliern, und die Bürgerwerke mit Sitz in Heidelberg, einNetzwerk von über 90 Energiegenossenschaften mit über 15.000 Mitgliedern, sowie die Energiegenossenschaft Odenwald und Urstrom Mainz.
Mitglieder sind zugleich Kunden und Eigentümer der Genossenschaft. Energiegenossenschaften tragen zu folgenden Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen bei: 7 Bezahlbare und saubere Energie und 13 Maßnahmen zum Klimaschutz.
Hier als Beispiel der Film „Bürger.Macht.Energie“ des Landesnetzwerk BürgerEnergieGenossenschaften Rheinland-Pfalz:
Wohnen
Wohnungsgenossenschaften bieten bezahlbaren und gemeinschaftlichen Wohnraum und gestalten Stadt-, Quartiers- und Dorfentwicklung. Die rund 2000 Wohnungsgenossenschaften in Deutschland haben ca. 2,2 Millionen Wohnungen mit 5 Mio. Bewohnerinnen und Bewohnern. Die Bewohner/Mieter sind zugleich Eigentümer der Genossenschaft. Hierzu zählt der Mökernkiez in Berlin sowie wagnis und weitere Genossenschaften in freiham München, die VAUBANaise Genossenschaft für inklusives Wohnen in Freiburg und die Maro Genossenschaft für Mehrgenerationenwohnen sowie Pflege- und Demenz-WGs im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Bei Konzeptvergaben für Wohnprojekte von Städten und Gemeinden bringen sich Genossenschaften ein.
Wohnungsgenossenschaften tragen zu folgendem Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bei: 11 Nachhaltige Städte und Gemeinden.
Hier als Beispiel ein Bericht über die Genossenschaft Kalkbreite in Zürich:
Mobilität
Mobilitätsgenossenschaften bieten bezahlbare und saubere Mobilität. Zudem gibt es auch eigenständige Mobilitätsgenossenschaften, wie StattAuto in Lübeck und Kiel sowie die schweizweite Mobility Genossenschaft. Die Mobilitätsangebote von Energie- und Mobilitätsgenossenschaften tragen zu folgenden Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen bei: 11 Nachhaltige Städte und Gemeinden und 13 Maßnahmen zum Klimaschutz.
Gesundheit, Pflege
Gesundheitsgenossenschaften sorgen mittels Ärztinnen und Ärzten, Medizinischen Versorgungszentren und Pflegekräften für Gesundheit und Wohlergehen. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) dürfen durch Genossenschaften betrieben werden. Hierzu zählen z. B. ÄGIVO im Odenwald, die für medizinischen Versorgung im ländlichen Raum und für eine Lösung gegen den Landarztmangel sorgen. Auch genossenschaftliche Praxisnetzwerke gibt es, wie ÄGH in Hochfranken. Zudem gibt es im Bereich der Pflege Genossenschaften, wie die WoGA Wohnen und Gesundheit im Alter im baden-württembergischen Pfullendorf. Im betrieblichen Gesundheitsmanagement gibt es beispielsweise die Meine Gesundheit-Genossenschaft in Dortmund. Gesundheits- und Pflegegenossenschaften tragen zu folgendem Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen bei: 3 Gesundheit und Wohlergehen.
Ernährung, Landwirtschaft
Im Bereich der Landwirtschaftlichen Genossenschaften gibt es neben großen Playern spannende neue Beispiele, wie Bioboden, Kulturland, Die Kooperative, WirGarten Lüneburg, Genießergenossenschaft Sachsen eG, das Kartoffelkombinat und SoLawi Vauß-Hof, die sich für biologische und solidarische Landwirtschaft engagieren.
Immer mehr Solawi-Genossenschaften (www.solawi-genossenschaften.net) stärken dabei u.a. durch eine gezielte Ausgestaltung der Satzung die Prinzipien gemeinschaftsgetragenen Wirtschaftens und mildern so hierarchische Vorgaben ab, schaffen zusätzliche Räume für stärkere, gelebte Partizipation und schreiben fest, wie man mit Unternehmensgewinnen umgeht. Das Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlicher und sozialer Stabilität, der Einbindung aller Mitglieder in die Selbstversorgung, und dem Erhalt der transformativen Potenziale der Solidarischen Landwirtschaft lässt sich so gut ausbalancieren.
Landwirtschaftliche Genossenschaften tragen zu den SDGs 3 Zero hunger, 3 Good health and Well-Being und 15 Life on Land bei.
Handel, Handwerk, Dienstleistungen
Zu den Handels-, Handwerks- und Dienstleistungsgenossenschaften zählen die großen Playern wie EDEKA, REWE, und BÄKO, die jeweils Genossenschaften von selbständigen Handlern und Handwerkern und vielfach Familienunternehmen sind. Spannend sind auch geniallokal, die digitale Plattform der eBuch Genossenschaft unabhängiger Buchhändler, und den digitalen Marktplatz fairmondo, die beide eine faire Alternative im Online-Handel bieten.
Kennt Ihr schon die Frauengenossenschaft WeiberWirtschaft in Berlin, die ein Gründerinnenzentrum aufgebaut hat und betreibt? Oder die Genossenschaft SMart, die es sich zur Aufgabe gemacht hat die Arbeitsbedingungen von Selbständigen und Freelancern zu verbessern? Oder die FAIRkultUR eine Genossenschaft von Künstler.Innen, Kulturschaffenden, Kreativen und Kulturinteressierten? Oder fairKauf ein genossenschaftliches Secondhand-Kaufhaus in Hannover, in dem Langzeitarbeitslose für eine Tätigkeit im Einzelhandel qualifiziert werden? Oder Familiengenossenschaft in Mannheim, die Leistungen für Familien, Unternehmen, Kindertages-Pflegekräfte und Kommunen bietet? Oder WIR für UNS eine bürgerliche Seniorenhilfe-Genossenschaften in Heroldsbach bei Erlangen? Oder die gdw mitte Genossenschaft der Werkstätten für behinderte Menschen in Deutschland? Oder die Karuna Sozialgenossenschaft in Berlin, die benachteiligten Jugendlichen Familiensinn und Chancen ermöglicht? Solche Genossenschaften tragen zu den SDGs 8 Decent Work and Economic Growth und 3 Good Health & Well-Being bei.
Hier als Beispiel ein Interview bei der WeiberWirtschaft in Berlin:
Digitalisierung, Infrastruktur
Mehr und mehr Genossenschaften entstehen in der IT-Branche, sei es durch Neugründungen (z. B. visibleRuhr in Dortmund und Digitalgenossen in Mainz) oder Umwandlungen (z. B. oose in Hamburg und iteratec #nurdemteam in München) oder kommunale IT-Kooperationen, wie KOPIT in Hessen und Kommunale IT-Union in Sachsen-Anhalt oder Hochschul-IT-Kooperationen, wie das Hochschul Informations System in Hannover. Genossenschaften gibt es auch im Bereich digitale Infrastruktur. Die Registrierung und Verwaltung der Länderendung .de im Internet wird von der DENIC Genossenschaft in Frankfurt durchgeführt.
Die WECHANGE-Plattform versteht sich als genossenschaftliche Kollaborations- und Community-Plattform und ist in der Wechange eG organisiert.
Hier als Beispiel ein Interview mit oose Genossenschaft in Hamburg:
Medien, Marketing, Kommunikation
Die Kreativ-Szene entdeckt mehr und mehr die Unternehmensform der Genossenschaft für sich. Beispiele für Kommunikations- und Marketinggenossenschaften, die neu gegründet wurden oder sich aus Kapitalgesellschaften umwandelten, sind Wigwam und Reinblau in Berlin und Kosmopolis in Fürth. Im Medienbereich gibt es die digitalen Plattformen von RiffReporter und Krautreporter von unabhängigen Reportern und seit vielen Jahren die taz Tageszeitung in Berlin.
Kultur, Freizeit, Sport
Genossenschaften betreiben Kultur- und Freizeiteinrichtungen, wie Theater, Kinos, Frei- und Hallenbäder, Gasthäuser und Dorfläden. Hierzu zählen das KulturQuartier Schauspielhaus in Erfurt, Kultur Keller Z87 in Würzburg und die Kinos Roxy in Kitzingen, Kamino in Reutlingen, KUK in Pfungstadt, Central in Würzburg, Neue Kammerspiele in Kleinmachnow und der Verleih Drop Out Cinema in Mannheim. Weitere Beispiele sind das Freibad Hänigsen und das NaturErlebnisBad Luthe in der Region Hannover, das Hallenbad Nörten-Hardenberg bei Göttingen sowie das Dorfgasthaus dasrößle im schwarzwälder Todtnau und das Wirtshaus am Gänsemarkt in Vreden im Münsterland und der Bahnhof am Park in Wiesenburg/Mark, die sich für gemeinschaftliches Leben engagieren. Kultur- und Freizeitgenossenschaften tragen zu den SDG 11 Sustainable Cities and Communities und SDG 3 Good Health and Well-Being bei.
Hier als Beispiel das KulturQuartier Schauspielhaus in Erfurt:
Bildung, Schule, Hochschule
Bildungsgenossenschaften bieten Schülerinnen und Schülern und Studierenden eine praktische ökonomische Bildung, bei der sie Unternehmertum und Werteorientierung lernen. Über 180 Schülergenossenschaften gibt es in Deutschland, in denen Schülerinnen und Schüler nachhaltig wirtschaften und solidarisch handeln lernen.
Auf www.schuelergeno.de findet Ihr Infos und weitere Beispiele zu Schülergenossenschaften.
Weitere Bildungsgenossenschaften sind beispielweise Raiffeisen-Campus in Dernbach im Westerwald, Raiffeisen-Schule Stuttgart, Raiffeisen-Schule Feuerbach, Peter-Härtling-Gymnasium Nürtingen, Gymnasium Speicher in der Eifel, Oranien-Campus Altendiez bei Limburg an der Lahn sowie die Waldorfschulen in Überlingen am Bodensee und Ismaning bei München. Hierzu zählen auch Jugendagentur Bildung, Kultur und Qualifizierung für junge Menschen in Heidelberg. Bildungsgenossenschaften tragen zu folgendem Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bei: 4 Hochwertige Bildung.
Hier als Beispiel ein Bericht über die Schülergenossenschaft „Green Leibniz eSG“ des Gymnasiums Leibnizschule Wiesbaden
Regional-, Stadt-, Quartiers- und Dorfentwicklung
Genossenschaften engagieren sich bei der Entwicklung von Regionen, Städten, Quartieren und Dörfern. Beispiele dafür sind DomagPark in München, Gängeviertel in Hamburg und Wir Oberdorfer in Oberndorf bei Cuxhafen. Entwicklungsgenossenschaften tragen zu folgendem Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bei: 11 Nachhaltige Städte und Gemeinden.
Die o.g. Beispiele sind ein kleiner Einblick in die Vielfalt von Genossenschaften. Weitere Beispiele findet Ihr in Manuel Andracks Raiffeisen-Tour, bei der er im Raiffeisen-Jahr 2018 die Genossenschaftswelt entdeckte.